1885 - 1933
Das 25-jährige Bestehen wird gefeiert
Nach monatelangen Vorbereitungen wurde am 25J26. Juni 1910 das 25-jährige Stiftungsfest des Vereins in würdiger Form begangen. Eingeleitet wurde das Jubiläum mit einem Festabend im "Saubräukeller" . Höhepunkt war der Festzug am nächsten Tag, der unter Beteiligung zahlreicher auswärtiger Vereine von zwölf Vereinstrommlern angeführt durch die Straßen der Stadt bis zum Turnplatz am Oberwöhr führte. Einen Tag vor Beginn des Festes ist im "Rosenheimer Anzeiger" eine Vorschau mit folgendem Wortlaut veröffentlicht worden:
" Wie schon allgemein bekannt, begeht am Samstag, den 25. und Sonntag, den 26. ds. Mts. der Männer-Turn-Verein Rosenheim sein 25-jähriges Stiftungsfest, verbunden mit Gauwettkämpfen des Turngaues Rosenheim. Vielen Turnern der Deutschen Turnerschaft, im besonderen des Turngaues Rosenheim, ist dadurch Gelegenheit gegeben, nach altem Brauch ihre Kräfte zu messen. Letzteres wird sich besonders interessant gestalten bei den so genannten Olympischen Spielen, da bei diesen nur die Höchstleistungen mit Preisen ausgezeichnet werden. Hoffentlich wird St. Petrus so freundlich sein und nicht regnen lassen, damit dieses Fest in schöner Weise verläuft. An die gesamte Einwohnerschaft von Rosenheim ergeht wohl keine Fehlbitte von den Turnern, wenn sie, wie schon öfters, auch dieses seltene Fest durch Schmückung und Beflaggung der Häuser mit verschönern helfen. Die auswärtigen Turner und Gäste werden dann einen guten Ein druck von der Stadt Rosenheim bekommen.
Der Weckruf am Sonntagmorgen geschieht durch einen zwölf Mann starken Tambourzug unter Führung des Tambourmajors. Der Festzug stellt sich Mittag Punkt 1 Uhr am Rathaus auf und der Abmarsch erfolgt um 1/2 Zwei Uhr durch die Sedan- und Innstraße über den Ludwigsplatz nach der Kaiserstraße, dann zurück durchs Mittertor (über den Max-Josefsplatz durch die Münchener- und Bahnhofstraße zum Turnplatz am Elektrizitätswerk. Dort selbst konzertieren während des Turnfestes zwei Musikkapellen. Für das leibliche Wohlergehen auf dem Turnplatz wird der Männer-Turnverein in jeder Beziehung sorgen. Man darf somit hoffen, daß bei vernünftigem Wetter dieses Turn- und Jubiläums fest gut verläuft. Gut Heil"
Glückliche und erfolgreiche Jahre vor dem 1. Weltkrieg
Weitere erfolgreiche und glückliche Jahre erlebten die Turner des MTV auf ihrem Sommerturn- und Spielplatz. Die Turnabende im Winterhalbjahr wurden weiterhin in der Turn halle im "Saubräukeller" durchgeführt. Im Jahre 1912 war der MTV zum größten Turnverein im Gau Rosenheim herangewachsen. Im gleichen Jahr wurde eine Bergsteigerriege gegründet.
Der längst fällig gewordene Bau eines Steges über die Mangfall wurde von den Mitgliedern in einer vorbildlichen Gemeinschaftsaktion noch vor Ausbruch des Weltkrieges 1914/18 in Angriff genommen. Hierüber wird an anderer Stelle eingehend berichtet.
Mit harter Hand griff der erste Weltkrieg in die Geschichte des Vereins ein. Es wurde still um den Männer-Turn-Verein Rosenheim. Still wurde es auch um manche Vereinsmitglieder, die, oftmals von Granaten zerfetzt, ihre Heimat nie mehr wieder sahen. Der eine oder andere von ihnen fand seine letzte Ruhestätte in Massengräbern vor Verdun oder in Galizien.
Die Zeit nach dem 1. Weltkrieg
Nach dem Krieg errichteten die Vereinsmitglieder ein Ehrenmal aus Tuffsteinen mit einer Marmortafel, auf der die Namen der 35 gefallenen MTV'ler eingemeißelt waren. Dieser, in einer Gemeinschaftsaktion geschaffene Gedenkstein, wurde am 31. August 1919 auf dem Sommerturnplatz in Oberwöhr feierlich eingeweiht.
Ehrenmal des MTV für seine im Ersten Weltkrieg gefallenen Vereinsmitglieder
Vom Kriegsgeschehen und den Nachkriegswirren körperlich zwar angeschlagen, ungebrochen aber an Geist und Idealismus, scharten sich die MTV'ler wieder um ihren altbewährten Vereinsvorsitzenden Georg Mühlthaler, der von Georg Hackl, Josef Simon u.a. bei den heranstehenden Aufbauarbeiten tatkräftig unterstützt wurde. Freudig begrüßte es die Rosenheimer Bevölkerung in diesen düsteren Nachkriegsjahren, als der MTV ab dem Jahre 1921 auf seinem Sommerturnplatz Ersatz-Volksfeste veranstaltete. Die Tatsache, daß der Verein die schweren Kriegsjahre 1914/18 überstanden und bald nach Kriegsende neue Aktivitäten entwickelte, waren sichtbare Beweise für die ungebrochene Lebenskraft des MTV.
MTV -Turnerteam unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg
Georg Mühlthaler, einer der bedeutenden Männer in der Vereinsgeschichte, hatte im Jahre 1897 das Amt des Ersten Vorsitzenden übernommen und diese verantwortungsvolle Funktion mit einer kurzzeitigen Unterbrechung bis über das Kriegsende hinaus ausgeübt. Jetzt war es für diesen verdienstvollen Mann aber an der Zeit, die Vereinsführung in jüngere Hände zu legen. Der bisherige Turnwart Georg Hackl, von Beruf Sattlermeister, wurde sein Nachfolger. Georg Mühlthaler, der es wohl wie kein anderer vor ihm verdient hatte, wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt.
Trotz der turnerischen Aktivität wurde es in dieser Zeit oft recht schwierig, geeignete Turnratsmitglieder zur Unterstützung des Ersten Vorsitzenden zu finden. Verschiedene Funktionäre stellten ihre Ehrenämter aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen zur Verfügung. Vor allem ging es um den arbeitsaufwendigen Posten des Kassiers, den Josef Simon bekleidete und der ebenfalls abtreten wollte. Schließlich ließ er sich aber doch wie der breitschlagen und stellte ohne "wenn und aber" seine Freizeit für die Kassiertätigkeit erneut zur Verfügung. Dies veranlasste den damaligen Schriftführer im Protokoll über die maßgebliche Turnratssitzung zu vermerken:
Josef Simon 1946
"Kassier Simon bringt es nicht übers Herz, seinen Posten schnöde zu verlassen und sich im Verein abseits zu stellen. Gott sei Dank ist der starke und treue Kern der guten Sache noch nicht ganz verfault und der MTV darf stolz sein, solche Männer zu besitzen zu Nutz und Frommen der Deutschen Turnerschaft und zum Neid und Trutz der Widersacher".
Nach diesen internen Schwierigkeiten ging es beim MTV bald wieder mit ungebrochener Kraft weiter. Der Turnbetrieb florierte, die Mitgliederzahl war bis Ende 1921 auf 763 angewachsen. Gerne besucht wurden zu dieser Zeit die Veranstaltungen des MTV auf seinem Sommerturnplatz, im Hofbräusaal oder später im Hotel "Deutscher Kaiser". Ältere Rosenheimer werden sich sicher noch an die turnerisch-akrobatischen Leistungen im Rahmen des Zirkus "Mäntuvero" erinnern. Einer der Glanzpunkte dabei war die Akrobatikgruppe Loy.
Akrobatikgruppe Loy
von links: Simon und Josef Loy, Schwaninger und Michael Loy
Neben diesen gutbesuchten "Ersatz-Volksfesten" wurden unter Mitwirkung bekannter Musikkapellen jährlich mindestens drei größere, rein turnerische Veranstaltungen, wie das Anturnen, das Sommerfest und das Abturnen durchgeführt. Die Vorbereitung und Abwicklung dieser vielseitigen Feste kostete viel ehrenamtliche Arbeit, die von den Mitgliedern zu leisten war. Neben den damaligen Vorstandsmitgliedern Mühlthaler, Hackl, Simon, Seitz und Weidacher erscheinen in den Vereinsprotokollen die Namen weiterer Mitglieder, die sich in der Folgezeit für die verschiedensten Aufgaben im Verein zur Verfügung stellten. Dabei tauchen immer wieder die Namen Lechner, Leising, Nickels, Liebl, Steigenberger, Eibl, Bader, Mayer, Schwer, Einsiedl, Pals, Spiegelsberger, Kathrein, Adamosky, Brucker, Strobl, Zwilling, Rehthaler, Lohr und Teufel auf. Aber auch die Aktiven des Vereins sind in dieser Zeit nicht untätig. Sie haben die weißgrünen Farben bei Wett kämpfen, insbesondere innerhalb des Gaues, würdig vertreten. Unter den Preisträgern sind die Turner Altmann, Ruppert Josef, Wagner, Schwanzer, Bader, Lechner, Mühlthaler jun., Fischer und Wolfsegger verzeichnet, um nur einige zu nennen. Bei der Jungmannschaft werden die Nachwuchsturner Schwaninger, Göpfert, Kastner, Bäumler, Murr, Ab leitner und Spiegelsberger rühmend erwähnt. Aber auch die älteren Turner, wie z.B. Loy, Simon, Eibl, Löw, Rottmann, Götzinger, Sievi, Kern und Weineisen sind in den damaligen Siegerlisten zu finden. Die Mitglieder der Damenriege, Götzinger, Lechner, Weidacher, Ramsauer, Buchner und Salat waren zu dieser Zeit ebenfalls wettkampfmäßig tätig.
Turnfestsieger 1922 in Augsburg
Im Jahre 1922 veranstaltete der Bayerische Turnerbund wieder ein Bayerisches Turnfest in Augsburg. Es war das erste Turnfest dieser Art nach dem 1. Weltkrieg. Wie begeistert die MTV-Turner dieses Fest aufnahmen, geht allein schon daraus hervor, daß nicht weniger als 40 Mitglieder in Augsburg mit dabei waren. Der Einsatz hatte sich gelohnt. Unter der fachkundigen Leitung des damaligen Turnwarts Karl Bader erreichten die MTV'ler beim Muster-Riegenturnen an vier Barren Platz eins. Im übrigen war damals bereits der heute über achtzigjährige Sepp Kastner dabei; Der unermüdliche Sepp ist auch heute noch aktiver MTV'ler innerhalb der Seniorenabteilung.
Bis Ende des Jahres 1922, somit 17 Jahre lang, wurde die seit dem Jahre 1906 vom Brauereibesitzer Auer dem MTV zur Verfügung gestellte Turnhalle im "Saubräukeller" im Winterhalbjahr von den verschiedenen Riegen des Vereins eifrig in Anspruch genommen. Durch Entgegenkommen des Magistrats der Stadt Rosenheim und des Direktors der Oberrealschule wurde der Verein in die glückliche Lage versetzt, ab dem Jahre 1923 seinen Turnbetrieb in der Turnhalle der Oberrealschule abzuwickeln.
Inflationsjahr 1923
Unheilvoll wirkte sich das Inflationsjahr 1923 auf die gesamte Bevölkerung aber auch auf den Verein aus. Der Gaststättenbetrieb auf der Turneralm war kaum noch aufrecht zu er halten. Die Einnahmen des Vortages reichten am nächsten Tag zur Bezahlung der Bierlieferungen längst nicht mehr aus. In dieser Situation entschloss sich der Turnrat den monatlichen Vereinsbeitrag wertbeständig in der Höhe von zwei Semmeln (!) zu erheben. Um die auf den 24. Januar 1924 in der Gaststätte "Flötzinger Löchl" anberaumte Jahrenshauptversammlung überhaupt durchführen zu können, musste der Verein einen Zentner Torf für die Beheizung des Versammlungsraumes stellen. Der Kassenbericht für das Inflationsjahr 1923 schloss in Einnahmen und Ausgaben in Milliardenhöhe ab. Nach der Geldabwertung betrug der Kassenbestand des Vereins dann noch lausige 137,80 Goldmark. Kein Wunder, daß die Vereinskasse zu dieser Zeit an chronischer Schwindsucht litt. Die vorliegen den Rechnungen mussten aber bezahlt werden. Um dies zu ermöglichen, sprangen kapitalkräftige Vereinsmitglieder mit zinsgünstigen Darlehen in die Bresche. So konnte in kurzer Zeit die stattliche Summe von 6000,-Mark aufgebracht werden. Mit diesem Geld wurde die prekäre Finanzsituation des Vereins aus eigener Kraft überwunden. Von einer Zahlungsunfähigkeit (Konkurs) wurde nicht mehr gesprochen.
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