1885 - 1933
Jubiläumsjahr 1925
Beinahe unberührt von diesen inflationistischen Zeiterscheinungen ging der Turnbetrieb weiter. Im Jahre 1925 blickte der MTV auf 40 Jahre seines Bestehens zurück. Aus diesem Anlass fand am 4. Juli eine Festveranstaltung im Hotel "Deutscher Kaiser" statt. Die Vorstandschaft setzte sich im Jubiläumsjahr ausfolgenden Mitgliedern zusammen:
1. Vorstand, Seitz 1. Kassier, Simon
1. Schriftwart, Dittmann 1. Turnwart, Altmann
1. Zeugwart, Steigenberger
2. Vorstand, Hackl 2. Kassier, Leising 2. Schriftwart, Jell
2. Turnwart, Lechner 2. Zeugwart, Gissibl
Beisitzer: Pals, Reichart, Müller, Wagner, Ritter Fähnrich: Sievi
Kneipwart: Weineisen.
Bei der Im gleichen Jahr durchgeführten Vorturnerwahl wurden bestimmt:
Damen- und Mädchenturnwart: Arnold Männerturnwart: Müller und Leising Zöglingsturnwart: Ritter Schülerturnwart: Simon und Arnold Spiel- und Sportwart: Liebl
Offensichtlich motiviert durch das Jubiläumsjahr entwickelte der Verein im Jahre 1925 besondere Aktivitäten. So wurde ein Klavier angekauft, die Turnhalle ausgebaut und vergrößert und ein fast zwei Tagwerk großes Grundstück in der Nähe des Sommerturnplatzes erworben. Im gleichen Jahr wurden Faustballturniere, Vereinsausflüge sowie ein maskiertes Tanzkränzchen durchgeführt. Die Aktiven beteiligten sich im Mai am Gauspielfest in Glonn, an einem Faustballturnier in München-Neuhausen und am Bezirkssportfest in Fürstenfeldbruck. Im Juni des Jubiläumsjahres wurde das Gausportfest auf dem MTV-Platz in Oberwöhr abgehalten. Neben den vereinsinternen Veranstaltungen anlässlich des 40. Stiftungsfestes wurden im Juli das Gaujugendturnfest in Grafing und die Wettkämpfe der Deutschen Jugendkraft in Rosenheim beschickt. Im August beteiligten sich MTV'ler am Gauschwimmfest in Oberaudorf, am Gautturnfest in Endorf, an leichtathletischen Wett kämpfen in Kirchseeon und am Volksfestturnen in Rosenheim. Neben Anturnen und Sommerfest standen noch mehrere Faustballturniere sowie ein Wettkampf für Kunstturnen zwischen dem Turngau Rosenheim und dem Inn/Salzachgau auf dem Programm. Beim Rosenheimer Volksfest war der MTV nicht nur mit turnerischen Vorführungen vertreten, er stellte auch einen Festwagen für den die Mitglieder Simon, Steigenberger und Jung verantwortlich zeichneten. Der Festwagen war mit vier Pferden bespannt, er wurde während des Festzuges durch die Stadt von Turnerinnen und Turnern des Vereins begleitet.
Festwagen des MN beim Rosenheimer Volksfest im Jahre 1925
Schließlich wurden im Jubiläumsjahr durch das Mitglied Heinrich Linnerer zur Verschönerung des Sommerturnplatzes eine Reihe von Kastanienbäumen gepflanzt, unter deren Schatten sich heute noch an heißen Sommertagen Mitglieder und Gäste ausruhen.
Der MTV war in diesen Jahren sowohl turnerisch/sportlich wie auch gesellschaftlich auf einem Höhepunkt. Den Verein aktiv nach außen vertraten turnerische Könner wie Altmann Max, Ritter Gustl, Leising Anton, Lechner Paul, Loy Michael, Ruppert Josef, Pals Matthias, Maier Josef, Mühlthaler Georg jun., Brucker Anton, Wagner Bartl, Bauer Josef, Jung Georg, Dittmann Julius, Arnold Stephan, Fischer Altons, Göptert Karl, Bader Karl, Spiegelsberger Anton, Liebl Bertl, Kastner Joset, Lohr Hans, die Gebrüder Schwanninger und viele andere.
In den Zwanziger Jahren eine bekannte MN-Turnerfamilie
Damenturnwart Paul Lechner und seine Frau Maria mit ihren Töchtern (von links) Maria, Liesl und Paula
Neben einer starken Männer- und Zöglingsgruppe wurde unter der zielstrebigen Leitung von Damenturnwart Paul Lechner und Mädchenturnwart Gustl Ritter eine beachtliche Damenriege aufgebaut.
Damen- und Mädchenturngruppe mit den beiden Turnwarten Paul Lechner und Gustl Ritter beim Sommertest im Jahre 1925
Im Jahre 1926 wurden die unermüdlichen Vorstandsmitglieder Georg Mühlthaler, sen., Georg Hackl, Josef Simon und Josef Seitz für ihre herausragenden Verdienste um die deutsche Turnsache durch den Bayer. Turnerbund mit dem Großen Ehrenblatt bedacht (nachzulesen im Fachorgan "Der Bayerische Turner", Heft 6/1926).
Stadtverband für Leibesübungen
Mit dem damaligen Turnprofessor Alois Beck als Ersten Vorsitzenden wurde im Jahre 1926 der Rosenheimer Stadtverband für Leibesübungen gegründet, dem der MTV als Mitglied beitrat. Wer hätte damals gedacht, daß diese Dachorganisation der Rosenheimer Sportvereine eines Tages 42 Sportvereine mit über 20000 Mitgliedern umfasst, wie Richard Horner in seiner Dokumentation über den Sport und die Entwicklung der Rosenheimer Sportvereine im Jahre 1984 feststellt (Sportstadt Rosenheim -Hans Benzinger Verlag).
Faustball -Geräteturnen -Leichtathletik
Nach dem Ersten Weltkrieg war die Pflege des Faustballspiels dem Verein ein besonderes Anliegen. Es kam daher nicht von ungefähr, daß der MTV auf diesem Sektor dominierend war. Diese Faustball-Tradition hat sich bis in die heutige Zeit fortgesetzt.
Auch die Geräteturner waren innerhalb des Gaues weiterhin erfolgreich. Im Jahre 1927 wurde zwischen Salzburg, Traunstein und Rosenheim ein Städtewettkampf im Turnen ausgetragen. Der MTV-Mannschaft gehörten die Turner Altmann, Kastner, Kotz, Ruppert So, Keller Mo und Keller H. sowie Gustl Ritter als Kampfrichter an.
Die Teilnehmer am Städtewettkampf im Turnen 1927 in Salzburg
Neben den Faustballern und Geräteturnern formierten sich auch die Leichtathleten unter der Leitung von Martin Garnreiter zu einer beachtlichen Abteilung. Sepp Oberhuber, Sepp Schuster und Gustl Heilmannseder ließen mit Spitzenleistungen in den einzelnen Disziplinen aufhorchen. Bei den Rosenheimer Stadtmeisterschaften wurden erste Plätze errungen im 100-Meter-Lauf, im 400-Meter-Lauf, im Kugelstoßen, im Speerwerfen, im Hochsprung, im Weitsprung, im Stabhochsprung und in der 10 x 100-Meter-Staffel. Neben den vorgenannten leichtathletischen Spitzenkönnern erscheinen in den Siegerlisten zu dieser Zeit die Namen Brehm, Neugirg, Diemer, Hermann, Wagner, Lederer und Stießberger. Bei Jugend-Wettkämpfen vertraten den MTV die Nachwuchskräfte Linnerer, Eibl, Simon, Wimbauer, Lukas und Renner.
Die bereits erwähnten hervorragenden Leichtathleten Sepp Oberhuber, Gustl Heilmannseder und Sepp Schuster (nebenstehend im Bild v. 1.) nahmen 1926 mit aus gezeichneten Erfolgen am traditionellen Taubenbergturnfest teil. Verstärkt mit Clemens Brehm und Georg Mühlthai er vertraten sie die Farben des MTV auch beim Deutschen Turn fest 1928 in Köln. Schließlich wurde im Jahre 1927 eine Handballabteilung gegründet, die bereits im Gründungsjahr mit mehreren Siegen in Erscheinung trat. Im gleichen Jahr beteiligten sich die Leichtathleten auf der Strecke Kufstein-Rosenheim am Hindenburglauf.
Erstaunlich viele Neuaufnahmen verzeichnet der Vereinskassier im Jahre 1928. Ein Zeichen für die anhaltende Aufwärtsentwicklung des MTV trotz der sich zu dieser Zeit bereits abzeichnenden Arbeitslosigkeit. Der Sommerturnplatz am Oberwöhr wurde unter der fachkundigen Regie von Turnkamerad Heinrich Linnerer, sen. planiert. Auch bei repräsentativen Veranstaltungen, wie z.B. der Enthüllung einer Büste des Turnvaters Jahn in der Walhalla, ist der MTV mit einer Fahnenabordnung vertreten.
MTV-Mitglieder als Teilnehmer am Gausportfest, 1927 in Rosenheim
Turnwart Ruppert (links) mit der MTV-Männerriege beim Sommertest 1928
Die Aufwärtsentwicklung bei den Faustballern, Turnern und Leichtathleten geht auch im Jahre 1929 kontinuierlich weiter. Beim Staffellauf "Quer durch Rosenheim" landet der MTV auf Platz zwei. Mit Hans Darchinger, Sepp Oberhuber und Sepp Rothmayer belegen diese MTV'ler die ersten drei Plätze bei einem gauoffenen Waldlauf, sie sichern sich damit souverän den Mannschaftssieg. Positives wird auch von den jüngsten Abteilungen des Vereins zu dieser Zeit, den Handballern und den Schwimmern, berichtet. Vom Bezirks schwimmfest im Juli 1929 in Schliersee und vom Gauschwimmfest im August des gleichen Jahres in Oberaudorf kommen die MTV-Schwimmer mit guten Platzierungen nach Hause. Übrigens wurde damals das Amt des Gauschwimmwarts einem Vorstandsmitglied des MTV, dem Liebl Bertl, übertragen.
Beim Bezirksturnfest 1929 in Fürstenfeldbruck war der MTV unter Leitung von Turnwart Sepp Ruppert (links im Bild) mit einer starken Abordnung vertreten.
Besonderes Lob erntete der unermüdliche Zöglings- und Schülerturnwart August Ritter, der mit seinen Jugendlichen beim Gaujugendturnfest am 21. Juli 1929 in Zorneding die höchste zu vergebende Auszeichnung im Riegenturnen erhielt. Bei der Jahreshauptversammlung für das Jahr 1929 sprach der Turnrat dem Ritter Gustl für seine Leistungen auf dem Gebiet der Jugendertüchtigung die gebührende Anerkennung aus. Im Protokoll ist hierüber vermerkt:
"Selten wohl gibt es einen Turnverein, der einen so hervorragenden Jugendturnwart in seinen Reihen hat, wie der MN mit seinem Turnkameraden August Ritter. Die gesamte Vereinsjugend ist mit Anhänglichkeit seinem Leiter verbunden. "Es gab halt auch damals selbstlose Idealisten, die ihre Freizeit für eine gute Sache opferten und ohne die ein gesundes Vereinsleben undenkbar ist.
Jugendturnwart August Ritter
Nicht unerwähnt soll bleiben, daß im Jahre· 1929 der MTV-Platz in Oberwöhr erstmals im Rahmen der städtischen Jugendpflege etwa 100 schulpflichtigen Buben während der Sommerferien zur Verfügung gestellt wurde. In den folgenden Jahren wird diese, der Jugendbetreuung dienende Aufgabe, wiederholt. Abschließend für das Jahr 1929 noch die Feststellung, daß der MTV zu dieser Zeit über eine vereinseigene, acht Mann starke Musikkapelle verfügte, die bei allen Festivitäten fleißig aufspielte.
Die nunmehr folgenden Dreißiger Jahre sind weiterhin von vielseitigen Aktivitäten ge prägt. Aus den vorliegenden Aufzeichnungen geht hervor, daß sich der Verein jedes Jahr an den Gauturnfesten, Gaujugendturnfesten, Bezirksturnfesten, regionalen und überregionalen Faustballturnieren, Waldläufen, Staffelläufen, Handballspielen, Gau- und Bezirksschwimmeisterschaften, am bekannten Taubenbergturnfest und selbstverständlich an den verschiedensten Wettkämpfen im Geräteturnen beteiligt hat.
Gauoffener Waldlauf im Jahre 1929 in Grafing In der Mitte des Bildes die MTV'ler Wimbauer (Nr. 6) Wimberger (Nr. 11) Rothmayer (Nr. 12) und Obermaier (Nr. 13)
Im Jahre 1930 ist der MTV bei einem gauoffenen Waldlauf über 7,5 km mit 16 Läufern vertreten. Der MTV'ler Hans Darchinger wird dabei Sieger. Sepp Oberhuber erreicht beim Bayer. Turnfest in Regensburg eine ausgezeichnete Platzierung. Auf dem Sommerturnplatz werden neben den üblichen Turnfesten (Anturnen, Sommerfest, Abturnen) auch Kinderfeste veranstaltet, die auch heute noch, nach nunmehr über 50 Jahren, im Jahresprogramm des MTV nicht fehlen.
Aktivitäten im Skisport
Die 1929 gegründete Skiabteilung hält unter der Leitung von Sepp Diemer Skikurse mit 30 bis 40 Teilnehmern ab. Stützpunkt ist dabei eine vom Verein gepachtete Almhütte. Willy Gunzenberger nimmt mit gutem Erfolg an der Zweiländermeisterschaft im Skilanglauf in Kufstein teil. Ferner startet er für den MTV (in den späteren Jahren für den SCR) bei der Bayer. Skimeisterschaft in Garmisch. Großzügigerweise erhält er hierfür vom Turnausschuss den Betrag von 6 Mark zur Bestreitung seiner Unkosten genehmigt und das auch nur, weil er arbeitslos war. Bei der Inngau-Skistaffelmeisterschaft im Hochriesgebiet ist auch eine Staffel des MTV mit dabei.
Die Akrobatenriege des MTV mit Franz Starzner an der Spitze, tritt bei den verschiedenten Gelegenheiten auf, so u.a. auch im Rahmen des Rosenheimer Herbstfestes.
Bisher mit einer Mannschaft beim traditionellen Staffellauf "Quer durch Rosenheim" vertreten, nimmt der MTV im Jahre 1931 mit zwei Mannschaften an dieser Leichtathletik-Veranstaltung teil:
Die erste Mannschaft kam hinter dem Reichsbahnsportverein (RSV) auf Platz zwei; die zweite Mannschaft belegte unter den zehn teilnehmenden Staffeln den achten Platz.
Aktive MTV'ler Anfang der Dreißiger Jahre von links: Schädler Karl, Simon Sepp, Bär Max, Eder Wastl, Wimbauer Otto, Obermaier Hans
Die rührigen Leichtathleten vertreten den MTV im Jahre 1932 beim Gauturnfest in Rott a.l., beim Gausportfest in Kolbermoor, bei einem Gau offenen Sportfest in Bergen, bei Wettkämpfen anlässlich des 50. Gründungsfestes des TSV Bad Reichenhall sowie bei Waldläufen in Rosenheim und in Haag. Der RSV Rosenheim richtete im Juli 1932 ein Sportfest aus. Dabei belegte Liesl Lechner (später verheiratet mit Sepp Oberhuber) in den Disziplinen Kugelstoßen, Hochsprung, Weitsprung und 100-Meter-Lauf jeweils den ersten Platz. Ebenfalls den ersten Platz sicherte sich im 800-Meter-Lauf Fanny Simon (später verheiratet mit Willy Gunzenberger). Weitere erste Siege erringen Sepp Schuster im Kugelstoßen, Sepp Oberhuber im Diskuswerfen, Clemens Brehm im Schleuderball. Auch in der 4 x 100-Meter-Staffel ist der MTV vorne, so daß schließlich der Gesamtsieg zwangsläufig an den MTV fiel.
Wie im Vorjahr landete der MTV beim Staffellauf "Quer durch Rosenheim" auch 1932 wieder auf dem zweiten Platz.
Unermüdlich sind wiederum die Faustballer tätig. Die Schwimmabteilung nimmt an mehreren Wettkämpfen teil, dabei stellt Rothmayer beim Gauschwimmfest in Kolbermoor neuen Gaurekord im Streckentauchen auf.
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